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Triage in Buxtehude?

  • Autorenbild: Heiko Tornow
    Heiko Tornow
  • 21. März 2021
  • 4 Min. Lesezeit

Dieser Tage gerate ich in die Notaufnahme des Buxtehuder Krankenhauses. Nach gebührender Wartezeit werde ich in einen Raum gebeten, in dem die bürokratische Aufnahmeprozedur ihren Anfang nehmen soll. Mein Blick fällt auf das Schild am Eingang. „Triage“ steht da. Drinnen schiebt mir die maskierte Krankenschwester erst einen ziemlich langen Wattestab ziemlich sehr tief in die Nase (Ich hatte ja keine Ahnung, wie tief mein vertrautes Nasenloch ist. Beim Nasebohren... - ach, lassen wir das). „PCR-Test.“, sagt sie. Dann noch einen Schnelltest mit kürzerem Stäbchen im Rachen. Ich niese, ich huste. Dann bin ich als Patient akzeptiert.

Oder doch nicht?

„Triage“? Da war doch was! Beschreibt dieser Begriff nicht die gruselige Lage in die Ärzte geraten, wenn allzu viele Notfallpatienten zeitgleich versorgt werden müssen und das Krankenhaus mit seinen wenigen Intensivbetten und seinem überforderten Personal und auch sonst mit seinem Latein am Ende ist? Dann müssen die Mediziner entscheiden, wen sie retten können und wen nicht. In den Bombennächten des letzten Weltkrieges war das an der Tagesordnung. Im italienischen Bergamo standen die Verantwortlichen im vergangenen März vor genau diesem Dilemma. Das Gesundheitssystem war unter dem Ansturm des Corona-Virus zusammengebrochen und es musste entschieden werden: Wird die 90jährige Oma beatmet oder legen wir lieber den jungen Mann in das letzte freieIntensivbett? Wessen Leben ist mehr wert? Der 74jährige mit Übergewicht oder der 77jährige, der zwar auch an Covid-19 leidet, aber sonst keine zusätzlichen Risikofaktoren aufweist?

Aber das war doch Bergamo, ganz am Anfang der Pandemie und jenseits der Alpen. Und in New York im Mai und heute immer noch im brasilianischen Manaos. Aber Triage im Elbeklinikum? Muss ich mir jetzt Sorgen machen? Ganz zufällig bin ich bald 75 und mein Bodymaßindex ist nicht vollständig in der Norm, um das mal beschönigend auszudrücken. Reicht das bisschen Übergewicht jetzt schon um aussortiert zu werden? Die Krankenschwester schaut mich irgendwie so an. In ihrem maskierten Gesicht kann ich nichts lesen. Habe ich noch eine klitzekleine Chance? Das Wartezimmer draußen ist voller dünner Patienten.


Aber gemach. Es gibt rasch Entwarnung und ein freies Bett ist bald gefunden und Corona habe ich auch nicht. Das Triage-Schild im Empfangsraum weist schon seit Jahren auf ein Standardverfahren zur Erstaufnahme in der Notaufnahme hin, eine Art Triage-Light.

Wenngleich - die dritte Welle schwappt ja gerade auch in unseren Landkreis. Da ist man doch besser vorbereitet.


Was auch immer. Das Triage- Schild erinnert jedenfalls daran, dass mit dem Virus nicht zu spaßen ist und die Ärzte auch in unserem kleinen Krankenhaus mit dem Schlimmsten gerechnet haben. Gab und gibt es eigentlich eine Verordnung von Jens Spahn, in der die Kriterien genau aufgeführt sind, nach denen die wirklich bösen Triage-Entscheidungen getroffen werden müssen? Alter, Gewicht, Allgemeinzustand, Geschlecht, Kontostand?

Die Hausärzte, die uns hoffentlich ab April gegen Corona - und meinetwegen auch mit Astra-Zeneca - impfen dürfen, sollen sich jedenfalls an eine spezifische Verordnung halten. Darin wird ihnen vorgegeben, wer vor allen anderen das Vakzin in den Oberarm gespritzt bekommt. Damit der Kampf gegen die Pandemie nur ja nicht rasch und effektiv geführt wird, sollen sich die Allgemeinmediziner möglichst penibel an die offiziellen Prioritätsvorgaben halten. Geimpft wird nicht, wer will und grad im Wartezimmer zur Hand ist, da ist, sondern die mit einen amtlich beglaubigten Sonderstatus.

Das wird dann so eine Art Triage-Light. Nichts gegen die Vorzugsbehandlung von Hochbetagten und Menschen mit riskanten Vorerkrankungen. Das rettet Leben. Treibt man das jedoch auf die Spitze, sind am Ende nur Bürokraten befriedigt, der große Rest ist frustriert.


Noch bevor der erste Hausarzt seine Nadeln geschärft und die Spritzen desinfiziert hat, sind schon die ersten Oberbedenkenträger unterwegs: Wer kontrolliert die korrekte Einhaltung der von der staatlichen Impfkommission und dem Ethikrat aufgestellten Impfreihenfolge? Geht auch alles lupenrein gerecht und vor allem mit rechten Dingen zu? Wer passt auf, ob der Doktor nicht die selbstzahlenden Privatpatienten ein wenig bevorzugt? Oder zunächst den Asthmatiker und dann erst die Frau mit dem Herzschrittmacher impft, obwohl doch nach Recht und Gesetz zuerst das lungenkranke Kind dran wäre?


Ich fürchte, wir sind mal wieder drauf und dran, alles sehr genau und perfekt zu planen und zu dokumentieren und zu kontrollieren und genau damit den Prozess gegen die Wand zu fahren. Ich jedenfalls traue meinem Hausarzt zu, diese Aufgabe hinreichend nachvollziehbar, einigermaßen unbürokratisch und flott abzuarbeiten. Und sollten ihm dabei Fehler unterlaufen - sei’s drum. Hauptsache wir kriegen das Zeugs, gleich welches Vakzin, in den Oberarm.

Dabei fällt mir ein: Lesen Sie doch mal die durchaus gruseligen Kapitel „Nebenwirkungen“ auf den jeweiligen Beipackzetteln Ihrer Medikamente durch, die Sie täglich schlucken müssen. Ich nehme regelmäßig vier verschiedene Pillen. Soweit ich das beurteilen kann, sind sie wirksam und lindern meine kleinen und mittleren Wehwehchen zuverlässig.


Aber das Risiko! „In sehr seltenen Fällen“, steht da immer wieder, führt mal dieser, mal jener Wirkstoff zu Ungemach. So muss ich zum Beispiel bei meinem milden Kreislaufpräparat mit sage und schreibe 35 Nebenwirkungen bis hin zur „Verschlechterung einer bestehenden Herzschwäche“ rechnen. Alles selten oder gar „sehr selten“ und im Promillebereich. Ich nehme das Zeugs trotzdem. Homöopathie ist keine Alternative.

Rechnet man das theoretische Risiko des im Rahmen dieser Kolumne relevanten Vakzins Astra-Zeneca aus, (drei Fälle auf 1,7 Millionen Geimpfte) kommt man auf 0,0001765 Prozent, die ein Blutgerinnsel im Gehirn erleiden oder gar sterben. Eine Person von über einer halben Million. Das ist zwar mehr als nichts. Aber mehr auch nicht.

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