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Ostern und Impfpolitik

  • Autorenbild: Heiko Tornow
    Heiko Tornow
  • 1. Apr. 2021
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 9. Apr. 2021

Wäre, wäre Fahrradkette. Man stelle sich vor, die Restaurants auf den Deichen im Alten Land wären an Ostern über fünf Tage wirklich geschlossen geblieben, der Festtagsgottesdienst wäre an uns vorbeigegangen, das gemeinsame Ostereiersuchen mit allen Nachbarskindern hätte gestrichen werden müssen. Oder das traditionelle österliche Angrillen mit Opa und Oma und der restlichen Großfamilie wäre unmöglich geworden wegen Angela Merkels Osterlokdown. Furchtbar wäre das geworden, wenn diese Schnapsidee von unserer Kanzlerin nicht so rasch abgeräumt worden wäre. Nur gut, dass sie von selbst drauf gekommen ist und sich entschuldigt hat.

Sie fragen sich jetzt womöglich dies: Warum sind die Restaurants an Ostern gleichwohl dicht? Warum predigt der Pastor dennoch vor weitgehend leeren Kirchenbänken? Was ist mit dem Eiersuchen und dem Grillfest? Alles Essig! Alles Schöne und Gute ist nach wie vor verboten und eingeschränkt. Merkels Rückzieher hin, Corona her.

Frohe Ostern sind sozusagen ins Wasser gefallen

Auch am Karfreitag war das so und am Ostermontag erleiden wir die gleiche traurige Lage.

Und am Dienstag melden dann die Gesundheitsämter der Republik, auch das Stader, dann die neuesten und ganz gewiss gestiegenen Infektionszahlen. Das heißt, sie melden sie natürlich nicht, weil an den Wochenenden regelmäßig die Zahlen nur gewürfelt werden, weil in den Ämtern auch nach einem geschlagenen Pandemiejahr niemand bereit oder in der Lage ist, auch an Feiertage eine ordentliche Statistik zu führen. Aber am Mittwoch, spätestens am Donnerstag bringt uns dann das RKI auf den neuesten Stand. Und manch einer wird dann vielleicht denken, hätte die Merkel das Ding doch bloß durchgezogen.

Ich denke schon jetzt so. Mit dem Gründonnerstag und dem Karsamstag wäre dem Virus über fünf volle Tage seine Virulenz ordentlich erschwert worden, die Inzidenzen hätten - wenn wir alle mal vernünftig gewesen wären - womöglich wieder einen Weg nach unten gefunden. Mag sein, dass fünf Tage nicht genug gewesen wären.

Aber weil nun leider gar nichts passiert ist, werden demnächst wieder die Intensivpflegebetten knapp.


Erinnern Sie sich noch an den entsetzten Aufschrei in sämtlichen Medien am Tag nach der Ankündigung eines Osterlokdowns? Jeder Journalist, der was auf sich hält, schüttete Hohn und Spott über die Bundesregierung und die „Kanzlerin auf Abruf“ aus. Und als die die Notbremse zog und ihre Idee kurz und knackig wieder abräumte, wurde es noch schlimmer. Unfähig, planlos, chaotisch, grottenschlecht und unterirdisch würden wir regiert und das komplette Volk hätte nunmehr aber endgültig das Vertrauen in unsere Obrigkeit verloren. Das wussten alle Kommentatoren schon Stunden nach der Entschuldigung und ohne jede Umfragezahlen. Sozusagen aus sich selbst heraus.

Ich für meinen Teil zweifle indes immer mehr am Verstand mancher meiner Berufskollegen. Karl Kraus, der große Publizist der Weimarer Zeit, brachte es auf den Punkt: „ Ein Journalist ist einer, der nachher alles vorher gewusst hat.“


Ich will versuchen meinen Unmut an einem Beispiel zu erläutern.

Schlage ich die Zeitungen auf, höre ich Radio oder verderbe mir den Abend mit einschlägigen Talkshows - überall in nerviger Endlosschleife fordern Männer und Frauen jedweder Partei, jedweder Interessengruppe, jedweder Prominenz laut- und meinungsstark von der Bundesregierung, nun „endlich“ mehr Tempo beim Impfen und vor sie fordern vor allem „endlich“ mehr Impfstoff und das bitteschön pronto. Dabei wissen alle, die ins Mikro sprechen, in die Kamera reden oder ins Redakteursnotizbuch diktieren: Mehr Impfstoff ist nicht da! Da kann sich die Kanzlerin auf den Kopf stellen und mit ihr die Ministerpräsidenten und Gesundheitsminister aller 16 Bundesländer. Bis auf eine Handvoll Impfdosen, die säumige oder furchtsame Impflinge nicht pünktlich zum Termin abgeholt haben, wird doch alles in die Oberarme gedrückt.

Ja aber, heißt es dann, hätte die Bundesregierung früher mehr bestellt, hätten wir das Problem nicht und Deutschland wäre gesund.


Die von mir hoch geschätzte Süddeutschen Zeitung schreibt dazu am 24. März:

„Merkels gravierendster Fehler aber war es, dass sie es im Sommer 2020 der Europäischen Union überlassen hat, Impfstoff zu bestellen.“

In der gleichen Zeitung konnte man zum gleichen Thema drei Wochen zuvor das Gegenteil lesen: „Für Deutschland als europäische Führungsnation gab es diese nationale Option nicht. Ein nationaler Alleingang hätte einen unermesslichen Kollateralschaden verursacht.“

Ja was denn nun? Hätte Deutschland denn wirklich den Zoll und die bewaffnete Bundespolizei vor die Biontec-Fabrik inMainz stellen sollen und jede Vaczin-Dose allein für Germanien reservieren sollen? Das wäre gewiss der Ruin Europas gewesen. Deutschland wäre nach 74 Jahren des Friedens auf unserem Kontinent dann mit wirklich allen unseren Nachbarn verfeindet.


Wer diesen Text als einseitig und sehr unkritisch gegenüber der doch so fehlerhaften Berliner Impfpolitik empfindet, dem sei gesagt: Ich kenne alle Unwerturteile über Spahn und Merkel, über Söder und von der Leyen und einige teile ich.

Aber hier und heute geht es mir darum festzuhalten: Kritik haben so viele kübelweise über die in Berlin ausgeschüttet. Da muss ich nicht auch noch in diese schon viel zu große Kerbe hauen.

Deshalb, auch wenn es einem altgedienten Journalisten und Kritikaster schwerfällt: Ich habe Vertrauen in unsere Regierung. Nach wie vor. Im Großen und Ganzen. Noch. Trotz alledem.

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